
Probenstart «Zeitstillstand»
Nachgefragt bei Regisseurin Katrin Hilbe
Lesezeit 5 min.
Entstehung
Als Regisseurin und Theatermacherin leben und arbeiten Sie auf mehreren Kontinenten. Aus welchem aktuellen künstlerischen Kontext entstand die Idee zur Koproduktion «Zeitstillstand»?
Ich bin schon seit einigen Jahren mit dem TAK im Gespräch für eine mögliche Ko-Produktion, und wir haben schon länger nach einem geeigneten Stoff gesucht. Es sollte ein Projekt sein, das eine Thematik aufgreift, welche in unserer Gesellschaft diskutiert werden sollte, ein komplexer Stoff, der reiche Auseinandersetzung erlaubt, von dem wir glauben, dass es das liechtensteinische Publikum interessieren könnte, und der nicht zuletzt mich als Theaterschaffende thematisch reizt. Wir haben uns gemeinsam auf Donald Margulies´ Stück Zeitstillstand verständigt, da es alle diese Kriterien erfüllt. Es ist ein «well-made play», das heist ein Theaterstück konventionellen Zuschnitts, aber über die vier Figuren des Stücks greift es ausgesprochen relevante Themen auf, die uns alle betreffen.
Kern des Stücks
«Wie will ich leben?», «Was ist ein gutes Leben»?, «Was ist meine moralische Pflicht als Wohlstandsmensch gegenüber denen im Leid?» Das sind die übergreifenden Fragen, mit denen sich die Figuren auseinandersetzen, ausgehend von der Kriegsfotografin Sarah, die verletzt aus einem Einsatz zurück kommt und nun überlegen muss, ob sie dieses gefährliche Leben weiterführen kann und will, und ob für sie ein «normales Glück» in der komfortablen Heimat überhaupt in Frage kommt. Leistet sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Zustände in der Welt oder sind ihre Bilder doch nur auch ein weiteres Konsumprodukt, welches bei der Betrachter:in eine kurzzeitige Erschütterung auslöst, eine kurze moralische Aufwallung, die aber sofort wieder vom eigenen Alltag aufgesogen wird?
Das Ensemble
Wie ist die Besetzung entstanden?
Die Besetzung wurde gemeinsam von uns, also mir, Thomas Spieckermann, Jan Sellke und Oliver Vorwerk diskutiert und vereinbart.
Aktualität & Bearbeitung
Wie stecken Sie die Balance zwischen Aktualitätsbezug der Inszenierung und Genauigkeit am Skript ab?
Zeitstillstand ist sechzehn Jahre alt und von der Thematik (leider) noch hochaktuell. Allenfalls einige Alltagsgebräuche der Figuren haben sich geändert, das wird sich in der Inszenierung niederschlagen.
Ich arbeite grundsätzlich sehr genau am Skript. In diesem Fall ist es eine Übersetzung aus dem Amerikanischen, da gibt es ein paar Anpassungen, aber sonst folge ich dem Text.
Haben Sie für sich einen konkreten Wunsch an diese Arbeit bzw. an den Probenprozess?
Ich wünsche mir, dass das Publikum sich von der Thematik berühren und anregen lässt, dass die Zuschauer:innen den Theaterraum verlassen und noch länger darüber nachdenken und mit ihren Freunden diskutieren. Vielleicht sieht der eine oder die andere auch die Nachrichten aus der ganzen Welt mit anderen Augen. Was wir wissen über die Aussenwelt, über die Menschen im Krieg, in Nöten, erfahren wir durch die unermüdliche Arbeit von Journalist:innen, die sich täglich Gefahren aussetzen, um diese Berichte und Bilder zu uns zu bringen. Nicht jeder Mensch ist dafür geschaffen. Was ist unsere Aufgabe, die wir unser Leben in Komfort geniessen?
It CAN Happen Here! – Hallie Flanagan & the Federal Theatre Project
Ein historisches Theatererlebnis mit brennender Aktualität
Unter der Leitung von Regisseurin und Produzentin Katrin Hilbe feiert It CAN Happen Here! eine bewegende und tänzerisch-multimediale Hommage an Hallie Flanagan und das Federal Theatre Project - der einmalige Versuch eines nationalen Theaters in den USA, Teil des New Deals der 1930 Jhre. Es verband Kunst, Unterhaltung und politisches Bewusstsein. Premiere war im März 2025 im Culture Lab LIC, New York.
It CAN Happen Here! erzählt die Geschichte des Federal Theatre Project in den Jahren 1935 - 1939. Unter der Leitung von Hallie Flanagan bot es Tausenden Künstlern Arbeit und brachte Theater in Gegenden, die es zuvor kaum kannten. Das Stück zeigt Flanagans Vision und die Konflikte, die daraus entstanden: Als die Produktionen soziale Missstände, Rassismus und Armut thematisierten, geriet das Projekt ins Visier konservativer Politiker welche mithilfe des neugegründeten House Un-American Activities Committee das FT in Misskredit brachten und den Senat dazu bewegen konnten es zu beenden.
Gestaltet ist das Stück als multimediales Erlebnis: Projektionen, Schattenpuppen und symbolische Requisiten schaffen eine dichte Atmosphäre. Das Ensemble verkörpert historische Persönlichkeiten wie Orson Welles oder Eleanor Roosevelt ebenso wie anonyme Zeitzeugen, wodurch ein vielschichtiges Bild der Epoche entsteht.
Gerade heute wirkt das Stück hochaktuell. Es erinnert daran, wie wichtig kulturelle Teilhabe und freie Kunst sind – und wie fragil diese Freiräume bleiben, sobald sie unter politischen Druck geraten. So wird aus einem historischen Porträt ein Spiegel unserer Gegenwart.
Katrin Hilbe gelingt mit It CAN Happen Here! ein starker Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ihre Inszenierung macht deutlich: Die Bühne ist Ort der Auseinandersetzung, des Widerstands und der Hoffnung. Gerade darin liegt die Aktualität dieses Projekts – und seine Kraft, auch heutige Zuschauer*innen zu bewegen.
Katrin Hilbe: «Der Titel «It CAN happen here!» nimmt Bezug auf Sinclair Lewis´s Roman It Can´t Happen Here, welches anschliessend als Theaterstück adaptiert wurde: Vom Federal Theatre produziert, hatte es an einem Tag in 21 Häusern in 17 Bundesstaaten der USA Premiere. Es war eine deutliche Warnung an Amerika vor dem Faschismus. Der Titel unserer Produktion sagte zum einen: doch, Faschismus in Amerika kann durchaus passieren. Aber auch: Ja, ein Nationales Theater IST möglich.»
Hallie Flanagan wird von einem Reporter gefragt:
REPORTER: «Why relief specifically for artists? When so many are out of work?»
HALLIE: «People of the theatre - directors, actors, designers, costumers, stagehands - work at any job they can find. They are willing to dig ditches and they did dig ditches, but unskilled labor can dig better ditches. We know how to put on shows.»
REPORTER: «Warum Unterstützung speziell für Künstler? Wenn doch so Viele arbeitslos sind?»
HALLIE: «Theaterleute – Regisseure, Schauspieler, Bühnenbildner, Kostümschneider, Techniker – greifen nach jeder Arbeit, die sich bietet. Sie sind bereit, Gräben zu schaufeln, und sie haben Gräben geschaufelt. Aber ungelernte Arbeiter schaufeln bessere Gräben. Wir dagegen wissen, wie man Theater macht.»
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