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«Spielt, spielt, sonst sind wir verloren»

Das neue Programm 2023/24 ist online!
Jetzt den Spielplan der neuen Spielzeit entdecken mit all seiner Vielfalt in Schauspiel, Klassik, Jazz und Weltmusik, Unterhaltung und Kinder- und Jugendtheater.

Lesedauer: 6 Minuten.

Donnerstag, 29.06.23

«Spielt, spielt, sonst sind wir verloren»

Pina Bausch, die berühmte Choreografin und Erneuerin des zeitgenössischen Tanzes, erzählte einmal, wie sie in Griechenland bei einigen Roma-Familien zu einem Fest eingeladen war. Später am Abend begannen die Menschen zu tanzen. Pina Bausch hatte Hemmungen mitzumachen und blieb sitzen. Sie hatte Sorge, die fremden Tänze nicht zu beherrschen. Da kam ein kleines Mädchen auf sie zu und sagte:

«Dance, dance, 
otherwise we are lost.» 
«Tanz, tanz, sonst sind wir verloren!»

Unser Spielplanmotto «Spielt, spielt, sonst sind wir verloren.» ist inspiriert von dieser Geschichte und dem Satz eines jungen Mädchens, der, so rätselhaft er ist, so viele Facetten hat.

Spielen ist Sein

In gewissem Sinne lässt sich der Satz auf die soziale Situation der Künstler im Theater selbst anwenden. Sie müssen tanzen und spielen, um zu überleben, wirtschaftlich und weil es ihre Berufung ist, sonst sind sie verloren. Durch die Jahrhunderte hinweg waren die Bühnenkünstler als «fahrendes Volk» oft die Aussenseiter, die ein prekäres Leben am Rande der Gesellschaft führten. Und dennoch wurden sie regelmässig zum Mittelpunkt des Gesprächs gerade dieser sie ausgrenzenden Gesellschaft, wenn sie auf den Marktplätzen auftauchten und Unterhaltung, Inspiration und Perspektivwechsel ermöglichten. Mit dem fahrenden Volk ist durch die Epochen hindurch Unsicherheit und Armut verbunden, aber auch Freiheit, Mut und Erkenntnis.

In mancher Hinsicht hat sich daran bis heute wenig verändert. Auch heute noch ist der finanzielle Status vieler Künstler:innen prekär, die Arbeitszeiten sind sozial wenig kompatibel, von der Altersvorsorge ganz zu schweigen. Im Grunde hat sich der Charakter des «fahrenden Volks» durch die Jahrhunderte hindurch erhalten.

Auch in Shakespeares «Hamlet», dem berühmtesten Drama der Weltliteratur, kommen übrigens die fahrenden Schauspieler nach Helsingör. Hamlet ist ihr Bewunderer, er ist hingerissen von der Rezitationskunst der Schauspieler, die ihn zu Tränen rührt. Und er betätigt sich auch gleich als Bühnenautor und Regisseur. In der berühmten Rede von Hamlet an die Schauspieler weist er diese an, dem Publikum den Spiegel vorzuhalten: Realistisch, so sein Appell, sollen sie spielen, nicht übertrieben, um den grössten Eindruck auf das Publikum zu machen. Man soll, was man sieht, als wahr erachten. Und es funktioniert. Die Schauspieler werden schliesslich den Beweis für den Mord von Clau­dius an Hamlets Vater liefern.

Spiel ist live

Das Motto kann aber auch den kreativen Aspekt der künstlerischen Arbeit meinen, den ständigen Schaffensprozess, das Proben und Üben, das notwendig ist, um sich zu verbessern, um auf der Höhe der Kunst zu bleiben, die Aufführungen zu perfektionieren. Ist das Spielen eine Notwendigkeit des menschlichen Ausdrucks und sprechen Künstler durch ihre Kunst zu uns, so braucht es dazu einerseits Energie und Kreativität, aber andererseits auch die Möglichkeit des Auftretens.

Für den britischen Regisseur und Theatertheoretiker Peter Brook waren drei Dinge existentiell für alle darstellenden Künste: «Répétition, Représentation, Assistance», also Proben, Aufführungen und – ganz besonders – das Publikum, das zuschaut und Theater überhaupt erst ermöglicht. Die Interaktion zwischen dem Publikum, das live zuschaut, und den Künstlerinnen und Künstlern, die live spielen, ist der Schlüssel der Theaterkunst, sie findet nicht im Streaming statt.

Aber wann kommt das Publikum zu den Aufführungen? Brook sagt, wenn es sich nicht um «tote Kunst» handelt, sondern um eine lebendige. Wenn das Publikum spürt, das es gemeint ist, wenn es spürt, dass die Vorstellung etwas mit ihm zu tun hat. Dass es also relevant ist, was auf die Bühne kommt – im Lachen wie im Weinen. Um das zu erreichen, müssen die Darsteller so präsent, so energetisch sein wie irgend möglich. Zwischen Langeweile und einem Erlebnis, das für immer im Gedächtnis der Zuschauer bleibt, ist es oft ein schmaler Grad. Hier darf es keine Kompromisse geben: «Spielt, spielt, sonst sind wir verloren!»

Spiel ist Ernst

Relevanz auf der Bühne zu erleben und sich gemeint fühlen, hat auch damit zu tun, dass man die Konflikte und Nöte der Figuren wiedererkennt, dass man sich selbst in ihren Handlungen und Gefühlen gespiegelt sieht. Wenn zum Beispiel die Last des Alltags aus Arbeit und Verpflichtungen einen zu erdrücken scheint, wie es Amanda und ihre Kinder in Tennessee Williams’ «Glasmenagerie» erleben. Wenn man sprachlos und ohnmächtig die Ausbeutung der Natur erleben muss und an der Zurechnungsfähigkeit der Menschheit zweifelt, wie Macbeth in der fantastischen Aufführung des Schauspielhauses Bochum. Wenn man eine Partner:in im Leben braucht, um eine schwierige Zeit durchzustehen wie die junge Mutter in «Adern» (grossartig gespielt von Sarah Viktoria Frick). Oder wenn man als Frau darum kämpfen muss, eine gleichberechtigte und erfüllte Partnerschaft zu leben, wie es Effi Briest und Annie Ernaux erzählen.

Sich frei spielen

Die Figuren auf der Bühne werden also zu unseren Zeitgenossen, denen das Leben, so wie uns, grosse Fragen stellt: Wie entgehen wir der Klimakatastrophe? Wie reagieren wir auf Künstliche Intelligenz? Oder auch viel alltäglicher: Wie wichtig ist sozialer Zusammenhalt? Was bin ich bereit, dafür zu tun? Wie bereite ich meine Kinder auf ihr Leben vor? Fragen, die zu gross sind, um ihnen mit simplen Antworten zu begegnen. So wie es auch Hamlet erlebt, als seine Mutter den Mörder seines Vaters ehelicht, und er als junger Mensch vor einer ungewissen Zukunft in einem «faulen» Staate steht und sich in einer Welt wiederfindet, in der es keine Gerechtigkeit und keine Moral mehr zu geben scheint.

Die Kunst, auch dies scheint uns das kleine Mädchen zu sagen, macht es möglich, sich diesen komplexen und existentiellen Fragen spielerisch zu nähern. «Spielt! Spielt! Sonst sind wir verloren!» mag auch heissen: «Vertrau deinen Fähigkeiten», mit Empathie und Kreativität ins Ungewisse zu treten. Damit es weitergeht, muss man manchmal einfach weitergehen, auch wenn die Richtung und das Ziel noch nicht klar sind. Oder wie Pina Bausch gesagt hat:

«Die Realität ist viel grösser als wir begreifen können. Manchmal können wir etwas nur dadurch klären, dass wir uns dem stellen, was wir nicht wissen. [ … ] Die Fragen hören nicht auf, und die Suche hört nicht auf. Es liegt etwas Endloses darin, und das ist das Schöne daran.»

Spiel ist kulturelles Gedächtnis

Über die Bedeutung der Kunst in der Gesellschaft ist viel gesagt und viele Aspekte sind herausgearbeitet worden: So zum Beispiel das Tradieren des kulturellen Erbes, das in der Literatur, der Malerei, der Musik weiterlebt. Oder auch die Kritik, die Kunst aufzeigt an Bruchstellen in der Gesellschaft, am Erodieren von Zivilisation und Sprache, an den Einschränkungen von Menschenrechten und an der mangelnden Partizipation aller Menschen; an der Diskrepanz, die Kunst sichtbar macht zwischen der Utopie, also dem gesellschaftlichen Ideal, und der Realität, in der wir leben. Wo, wenn nicht in der Kunst, wird das in unserer Welt spürbar, sichtbar, fühlbar?

Das erste Drama, das überliefert wurde, «Die Perser» von Aischylos, beschreibt den Sieg der Griechen gegen die Perser nach der Schlacht von Salamis. Es ist aber aus der Perspektive der Perser geschrieben. Man sieht nicht den Jubel der Griechen, sondern das Leid der Unterlegenen, der Schwachen, derer, die sich nicht mehr wehren können. Aischylos wollte ihnen eine Stimme geben, damit der Hochmut der Griechen angesichts des Siegs sie nicht vergessen lässt, dass sie Menschen und menschlich sind.

Dieselbe Stimme hören wir in «Hamlet», wenn ein junger Student der Geisteswissenschaften sich weigert, sich für den Tod seines Vaters zu rächen und sinnloses Blut zu vergiessen. Sie behauptet die Utopie, die besagt, dass die Zukunft eine bessere sein kann. Dass wir alle gemeinsam sie besser gestalten können. Dass wir uns auf das Wertvolle besinnen und die Irrwege vermeiden können. Auch wenn die Erfahrung uns oft eines besseren belehrt, können wir uns doch die Utopie bewahren: «Spielt! Spielt! Sonst sind wir (alle) verloren!»

Spiel ist Witz

Über alldem gilt es aber auch, die Heiterkeit nicht zu verlieren. Theater ist schliesslich nicht nur eine «moralische Anstalt», wie Friedrich Schiller es nannte, sondern auch ein Ort des Lachens und des Vergnügens. Das Theater hat das Heitere niemals verloren, es ist dazu da, die Zuschauerinnen und Zuschauer zu unterhalten und zu bezaubern. Es bedeutet lachen über und verzweifeln an der Welt zugleich. Friedrich Hölderlin hat diesen Aspekt vielleicht am treffendsten in Worte gefasst:

«Immer spielt ihr und scherzt? ihr müsst! o Freunde! 
mir geht dies
In die Seele, denn dies müssen Verzweifelte nur.»

Wir laden Sie herzlich ein, sich auf das Spiel mit uns einzulassen und die Freude am Fragen, am Zweifeln und am Schönen mit uns zu teilen. 
Und wir freuen uns, Sie auch in der neuen Saison als unsere Besucherinnen und Besucher begrüssen zu dürfen

Thomas Spieckermann und Jan Sellke
 

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